Rummelsberger Diakonie setzt auf Unterstützte Kommunikation zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Mehr lesenAltdorf/Hilpoltstein/Mainleus – „Beziehung ist eine Folge von Kommunikation und damit auch nur so gut wie die Kommunikation“: Der Belgier Ludo Vande Kerckhove ist ein internationaler Kommunikationsexperte und arbeitet seit vielen Jahren mit Menschen mit Behinderung und einer Autismus-Spektrum-Störung. Seit sechs Jahren unterstützt er Mitarbeitende der Rummelsberger Diakonie. Denn von aktuell 1.200 Menschen mit Behinderung, die bei dem sozialen Träger wohnen, äußern sich 40 Prozent der Menschen nicht oder nur wenig lautsprachlich. In Sachen Kommunikation bedeutet das eine große Herausforderung, die sechs pädagogische Teams in Mittel- und Oberfranken nun mithilfe des belgischen Experten besser meistern können.
„Überfordert, überrollt, überstresst“, so charakterisiert Ludo Vande Kerckhove den 64-jährigen Max Meier (Name geändert). Er lebt im Haus Schmeilsdorf in Mainleus/Oberfranken und wie ihm geht es vermutlich vielen Menschen mit Behinderung, die in stationären Wohneinrichtungen leben. Der Tagesablauf ist durchgetaktet und lässt nicht viel Raum für individuelle Lebensstile, die Mitarbeiter*innen wechseln als Ansprechpartner*innen. An diesen Strukturen lässt sich nicht viel ändern. Dennoch kann sich der Umgang miteinander deutlich verbessern. „Wir haben im Team erarbeitet, wie wir künftig mit Max umgehen werden“, erzählt Martina Seuberling, Teamleiterin der Rummelsberger Einrichtung in Oberfranken. Denn die Reibereien beginnen mitunter schon früh am Morgen: Max Meier ist ein Morgenmuffel. „Wenn die Kolleg*innen zum Wecken ins Zimmer kommen und es zu eilig haben, dann ärgert sich Max. Nun haben wir eine Routine vereinbart, die ihm den Start in den Tag erleichtert. Das klappt viel besser“, erzählt Seuberling ein Beispiel.
Deutliche Verbesserungen vermeldet auch das Team vom Auhof im mittelfränkischen Hilpoltstein. „Seit dem Coaching ist Sven Berger viel entspannter“, berichtet Ulrike Rothlehner. Die 34-Jährige arbeitet als Heilerziehungspflegerin in der Einrichtung für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Sven Berger habe sich immer schwergetan, Zeitspannen einzuschätzen und war sehr ungeduldig. Im Coaching hat das Team einen Weg gefunden, Zeit sichtbarer zu machen und einen Tagesplan zu erstellen. „Wir zeigen nun mit einer Wäscheklammer an, was als nächstes drankommt“, erzählt Rothlehner. Damit könne Sven Berger gut umgehen.
„Die Bewohner*innen und die Mitarbeiter*innen profitieren sehr von den Coachings“, berichtet Anja Pudelko. Als Leiterin der Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation (UK) 18 plus am Wichernhaus in Altdorf organisiert und begleitet sie mit ihrem Team die Kommunikations-Coachings. Die Beratungsstelle wurde 2014 mit dem Ziel gegründet, das Zusammenleben und das Verständnis der Bewohner*innen zu verbessern und so die Selbstwirksamkeit der Menschen mit Behinderung zu stärken. „Viele erhalten eine grundlegende Unterstützung bei der Kommunikation. Das geht über die reine Vermittlung von Hilfsmitteln hinaus“, erklärt Pudelko.
Mit den Methoden der unterstützten Kommunikation lernen die Bewohner*innen etwa über Bildkarten oder elektronischen Hilfen wie zum Beispiel iPads verständlicher zu kommunizieren. Denn wer sich nicht verstanden fühlt, resigniert oder macht seinem Frust Luft. „Es kommt leider immer wieder vor, dass es zu herausfordernden Verhaltensweisen aufgrund von Missverständnissen in der Kommunikation kommt“, berichtet Pudelko.
Neben Coachings bietet die Beratungsstelle auch Weiterbildungen für Mitarbeitende an. „In den vergangenen drei Jahren haben wir rund 70 Mitarbeiter*innen mit dem zertifizierten Einführungskurs für Unterstützte Kommunikation weitergebildet“, berichtet Anja Pudelko. Die Idee sei, dass die UK-Fachkräfte ihr Wissen an die Kolleg*innen weitertragen. So soll sich die Methodik der Unterstützten Kommunikation in der Rummelsberger Behindertenhilfe verankern und die Kommunikation der Menschen miteinander nachhaltig verbessern.
Ralph Eichenseher, Leiter des Fachbereichs Autismus, berichtet von gelebter Vielfalt im Fachbereich.
Mehr lesenRummelsberg – 2022 steht die Rummelsberger Diakonie im Zeichen von Diversität, Vielfalt und Gleichstellung. Der studierte Heilpädagoge Ralph Eichenseher leitet seit sechs Jahren den Fachbereich Autismus. Der 42-Jährige erklärt im Interview, wie er in den Mitarbeiter*innen göttliche Funken sieht, wie Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung am Gegenüber wachsen und warum der Fachbereich so stark ist beim Thema Frauen in Führungspositionen.
Herr Eichenseher, die Rummelsberger haben für 2022 das Jahr der Vielfalt ausgerufen. Wissen Sie, wie es damit im Fachbereich bestellt ist?
Ralph Eichenseher: Vielfalt ist meiner Meinung nach die Anerkennung dessen, dass jeder Mensch einzigartig ist. Ein Individuum also, das unabhängig von Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Religion und Führungsposition sein darf. Diese Überzeugung lebe ich auch in meiner Rolle als Dienststellenleitung. Jede(r) hat für mich einen göttlichen Funken und das macht uns gleichwertig, als Mensch und als Mitarbeiter*innen der Rummelsberger Diakonie. Bei der Personalauswahl für bestimmte Positionen und für Leitungsaufgaben setze ich im Vorfeld keinen Filter, sondern schaue mir den Menschen an. Ich prüfe, ob die Haltung für uns passt und die nötigen Kompetenzen mitgebracht werden. Und auch ohne diese Kriterien anzuwenden, haben wir im Fachbereich einen recht ausgewogenen Anteil an weiblichen und männlichen Mitarbeiter*innen im Alter zwischen 21 und 66 Jahren. Mit einem Anteil von 42 Prozent Männern liegen wir deutlich über dem Durchschnitt der Rummelsberger Behindertenhilfe. Hier sind im Durchschnitt 24 Prozent der Mitarbeiter männlich. Auch die Teamleitungen sind im Fachbereich überwiegend weiblich besetzt und meine Chefin ist auch eine Frau.
Der Fachbereich Autismus hat 54 Mitarbeiter*innen. Wissen Sie aus dem Stehgreif, welche Religion die Kolleg*innen haben?
Ralph Eichenseher: Ich habe es nachgeschaut. Die meisten Mitarbeiter*innen des Fachbereichs Autismus sind evangelisch, viele auch katholisch und hier arbeiten auch einige ohne Bekenntnis. Religion gibt den Menschen die Möglichkeit, sich aktiv mit Werten und Moral auseinanderzusetzen, mit dem Ziel eines friedvollen Miteinanders. Daher stellt sich für mich in erster Linie nicht die Frage, aus welcher Religion heraus, die Menschen agieren, sondern vielmehr wie sie miteinander und den ihnen anvertrauten Menschen im Autismus-Spektrum umgehen.
Vielfalt bereichert - stimmen Sie dem zu?
Ralph Eichenseher: Auf jeden Fall. Gute Ideen und Entwicklungen entstehen, wenn unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen gut zusammenarbeiten. So kommen neue Perspektiven in Projekte, innovative Ansätze können entwickelt werden. Wichtig ist die Vielfalt auch in unserer alltäglichen Arbeit. Um die unterschiedlichsten Bedürfnisse unserer häufig sehr individuellen Bewohner*innen und Teilnehmer*innen erfüllen zu können, benötigt es mindestens ebenso viele Antworten und Angebote. Nicht jeder kann und will beispielsweise Klient*innen auf ein Rock-Konzert begleiten oder einen Blick dafür haben, wann ein Fenster geputzt werden sollte oder im Todesfall das Umfeld seelsorgerlich begleiten. Der Mensch wird am "Du" zum "Ich" hat es Religionspädagoge Martin Buber beschrieben. Für uns heißt das: Je vielfältiger meine Gegenüber („Du“) sind, desto einfacher fällt es dem „Ich“, Verhalten, Ansichten und Einstellungen zu vergleichen und den eigenen Weg zu finden und zu gehen.
Achten Sie bei Neueinstellungen darauf, auch Menschen mit einem internationalen Hintergrund einzustellen?
Ralph Eichenseher: Die Arbeit mit Menschen im Autismus-Spektrum ist besonders und auf diese Besonderheiten müssen sich die Mitarbeitenden einstellen. Daher achten wir in der Personalakquise und bei der Personalauswahl darauf, dass die Mitarbeitenden keine falschen Vorstellungen von ihrer künftigen Arbeit haben. Auf unserer Bewerberseite www.jobsplussinn.de haben wir Mitarbeiter*innen und Klient*innen porträtiert, die berichten, was bei uns so besonders ist. Dieses Konzept funktioniert sehr gut. Und wir haben momentan die Kapazität, (internationale) Fachkräfte bei uns willkommen zu heißen.
Erster Barrierefreier Garten der Rummelsberger Diakonie in Ebelsbach – Name wurde enthüllt
Mehr lesenEbelsbach – Bei strahlendem Sonnenschein wurde diese Woche mit vielen kleinen und großen Gästen das „Plauder-Gärtla“ in der Parkstraße eingeweiht. Seinen Namen erhielt der Garten über einen Namenswettbewerb. 51 Namensvorschläge waren insgesamt eingereicht worden. Ein Gremium aus Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen des Wohnbereichs der Rummelsberger Dienste für Menschen mit einer Behinderung wählten gemeinsam den Namen „Plauder-Gärtla“ von Frau Monika Göhr. Er bringt die Idee des Gartens auf den Punkt: Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen, Kinder und Erzieher*innen des benachbarten Kindergartens sowie alle interessierten Ebelsbacher*innen können hier zusammen verweilen und miteinander plaudern.
Auf die Wichtigkeit eines Gartens, nicht nur in Pandemiezeiten, wies Landrat Schneider in seinen Grußworten hin. Karl Schulz, Vorstand Rummelsberger Diakonie, ergänzte dies mit „der Garten ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs, des Beisammenseins. Für Menschen jeden Alters, für Menschen mit und ohne Behinderung, ja vielleicht auch für Menschen mit Vorbehalten, die diesen Ort nutzen, um ihren Mitmenschen zu begegnen und sie besser kennenzulernen.“
Das Plauder-Gärtla wurde gemeinsam mit den Bewohner*innen geplant, es ist rollstuhlgerecht und barrierefrei. Die Freude über die Rollstuhl-Rampe, die barrierefreien Wege, den barrierefrei zugänglichen Pavillon und die Schaukel ist groß. Möglich machten das alles zahlreiche Spenden, die über die Webseite infranken.de gewonnen worden waren. Eine großzügige Spende kam unter anderem von der Karl Wagner Stiftung.
Für die noch ungenutzten Flächen sind Hochbeete, ein Sinnesparcours und Gehege für Kleintiere geplant. Max, Bewohner der Rummelsberger Einrichtung und leidenschaftlicher Tischtennisspieler, wünscht sich außerdem eine Tischtennisplatte. Geplant sind auch Projekte zusammen mit dem katholischen Kindergarten. Die Kindergartenkinder konnten sich schon mit dem Garten vertraut machen und sangen den Gästen bei der Einweihung neu interpretierte bekannte Lieder vor. Aus „99 Luftballons“ von Nena wurde dabei zum Beispiel „26 Heimbewohner machen heute ne coole Party…“. Die weggedichteten Luftballons überreichten die Kinder anschließend den Bewohner*innen.
Bürgermeister Horn, Pfarrerin Schimmel und Dekan Lechner betonten die Wichtigkeit der Teilhabe am öffentlichen Leben und dass die Integration der Bewohner*innen nun auf eine neue, grüne Stufe gehoben werde. „Alle hier spüren ich bin wichtig und ich gehöre dazu,“ so Dekan Lechner in seiner Segnung. Bei Tanzmusik, Bratwürsten und Kaffee und Kuchen ging dann die „coole Party“ für Groß und Kein in den lockeren Teil über.
Jetzt darf erstmal alles wachsen, die Pflanzen und auch die Ideen. Dafür bekam Regionalleiter Günter Schubert extra eine Gießkanne vom Kindergarten überreicht.
Die Rummelsberger Dienste für Menschen mit Behinderung haben alle Beteiligten in ihren Einrichtungen umfangreich zu allen Vorsorge- und Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Corona Virus informiert. Für die jeweiligen Einrichtungen in den Regionen sind die Empfehlungen und Maßnahmen zum Umgang mit der Situation erstellt und eingeleitet.
Es gibt einen permanenten Austausch mit den örtlichen Gesundheitsämtern und Landkreisen sowie den kreisfreien Städten.
Die Empfehlungen des Robert Koch Institutes sowie die staatlichen Verordnungen sind Grundlage unseres Handelns. Dadurch kann es in den verschieden Einrichtungen zu unterschiedlichen Regelungen kommen.
Generell gilt: Alle Einrichtungen der Dienste für Menschen mit Behinderung verfügen über angepasste Schutz- und Hygienekonzepte, deren Einhaltung auch die aktuell angeordneten Testnachweise für Besucherinnen und Besucher beinhalten. Dabei wird dem Schutz vor Ansteckungsrisiken unserer Bewohner*innen und Beschäftigten oberste Priorität eingeräumt.
Aktuelle Informationen der Bayerischen Staatsregierung für Menschen mit Behinderung finden Sie hier:
Informationen in leichter Sprache finden Sie hier:
Weitere Informationen finden Sie:
Im Haus Altmühltal und in der Region Altmühlfranken wohnen, arbeiten und leben Menschen mit einer Behinderung. Die Frauen und Männer können zwischen verschiedenen Wohnformen wählen, je nach ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten.
Verschiedene Angebote gibt es auch für die Beschäftigten. Werkstatt oder Förderstätte oder vielleicht eine Arbeitsstelle bei einem Unternehmen in der Nähe? Die Frauen und Männer können ihre Arbeit nach ihren Neigungen und Fähigkeiten wählen. Dabei werden sie von den Fachkräften der Rummelsberger Diakonie in Altmühlfranken unterstützt und begleitet.
Die Region Altmühlfranken bietet viele Freizeitmöglichkeiten. Die Offene Behindertenarbeit – OBA-Teilhabedienste stellt jedes Jahr ein abwechslungsreiches Programm zusammen. Wegen der guten Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel können die Frauen und Männer auch Ausflüge unternehmen und nach Nürnberg fahren. Bei Bedarf können die Ausflüge auch von Ehrenamtlichen begleitet werden.
Die Angebote in der Region Altmühlfranken im Überblick: